Tankrabatt versagt vor allem bei Diesel (2025)

Überblick in Daten und Grafiken Tankrabatt versagt vor allem bei Diesel

Von Christoph Wolf 10.06.2022, 11:12 Uhr

Durch die Spritpreisbremse sollen seit dem 1. Juni 2022 die Kraftstoffpreise in Deutschland deutlich sinken. Täglich aktualisierte ntv.de-Grafiken zeigen: Bislang kommt die Entlastung allenfalls teilweise an den Zapfsäulen an. Vor allem bei Diesel funktioniert sie gar nicht.

Seit dem 1. Juni 2022 gilt in Deutschland die Spritpreisbremse. Die politische Idee dahinter: Mit der bis Ende August 2022 befristeten Absenkung der Energiesteuer auf Benzin und Diesel sollen die seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine am 24. Februar stark gestiegenen Kraftstoffpreise gesenkt und Bürgerinnen und Bürger so entlastet werden. Die Kosten des Steuerverzichts für den Staat werden auf etwa 3 Milliarden Euro geschätzt. Geld, das bei den Verbrauchern verbleiben soll - sofern sie die Steuersenkung im gedachten Umfang erreicht. Ob und wie die Spritpreisbremse wirkt, wertet n-tv.de in täglich aktualisierten Grafiken aus.

Für die erste komplette Woche mit geltender Spritpreisbremse zeigt die n-tv.de Auswertung der Tagesdurchschnittspreise für Superbenzin E5, Super E10 und Diesel, was vorab prognostiziert und etwa vom ADAC mehrfach und heftig kritisiert wurde: Bisher bleiben die Preissenkungen an den Zapfsäulen deutlich hinter den zu erwartenden Preisreduktionen zurück.

Zwar sind die Preise vom 31. Mai auf den 1. Juni stark gesunken: jeweils um rund 27 Cent bei Superbenzin E5 und Super E10 und rund 11 Cent bei Diesel. Seitdem steigen sie aber wieder kontinuierlich an, obwohl der Tankrabatt zuvor noch nicht einmal annähernd in vollem Umfang weitergegeben wurde.

Basis der n-tv.de Auswertung sind die offiziell validierten bundesweiten Durchschnittspreise der Markttransparenzstelle für Kraftstoffe (MTS-K) sowie von n-tv.de berechnete vorläufige Näherungswerte für die Durchschnittspreise an Tagen ohne validierte Daten. Aufgrund des großen öffentlichen Interesses werden die validierten Preisdaten seit März wöchentlich vom Statistischen Bundesamt (Destatis) veröffentlicht, aktuell liegen sie bis zum 5. Juni 2022 vor. Für die Berechnung der vorläufigen Preise nutzt n-tv.de die Daten, die das von der MTS-K als offizieller Verbraucherinformationsdienst zugelassene Portal "Tankerkönig" täglich als Open Data veröffentlicht.

Der Spritpreis in Deutschland setzt sich aus zwei Hauptkomponenten zusammen: Einerseits dem Produktpreis für Superbenzin E5, Super E10 und Diesel, den jeweils die Ölkonzerne festlegen. Andererseits aus fixen Abgaben sowie der Mehrwertsteuer, die der Staat erhebt. Bei den fixen Abgaben handelt es sich um die Energiesteuer, den CO2-Preis und die Erdölbevorratungsabgabe.

Die folgende Aufstellung zeigt die Anteile am Gesamtpreis pro Liter Kraftstoff mit und ohne Spritpreisbremse:

Die Mehrwertsteuer wird auf den "Netto-Verkaufspreis" erhoben, den das Bundesfinanzministerium als Summe von Produktpreis sowie fixen Abgaben definiert. Das heißt, auch auf die fixen Abgaben wird noch einmal Mehrwertsteuer fällig.

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Würden die Ölkonzerne die Preisreduktion durch die Spritpreisbremse vollumfänglich an Bürgerinnen und Bürger weitergeben, müsste der Literpreis für Benzin (E5 und E10) um 35,1465 Cent sinken. Davon entfallen 29,55 Cent auf die gesenkte Energiesteuer sowie 5,6145 Cent auf die verringerte Mehrwertsteuer (19 Prozent von 29,55 Cent). Bei Diesel wären es insgesamt 16,7076 Cent je Liter (Reduktion der Energiesteuer um 14,04 Cent + 2,6676 Cent Mehrwertsteuersenkung).

Produktpreis für Sprit steigt

Vor Inkrafttreten der Spritpreisbremse setzte sich der Literpreis für Benzin an der Zapfsäule ungefähr zur Hälfte aus dem von den Konzernen gesetzten Produktpreis sowie aus Steuern und Abgaben zusammen. Bei Diesel war der Konzernanteil aufgrund der steuerlichen Begünstigung dieses Kraftstoffs etwas höher. Sowohl bei Benzin als auch Diesel haben sich die Verhältnisse seit dem 1. Juni erkennbar verschoben. Die folgende Grafik zeigt die Entwicklung in den vergangenen 10 Tagen, wobei die Werte ab dem 30. Mai auf den von n-tv.de berechneten vorläufigen Näherungswerten für die bundesweiten Durchschnittspreise beruhen:

Spritpreise Welcher Anteil bleibt den Konzernen?

Der höherer Konzernanteil am Literpreis ist per se nicht überraschend. Er ergibt sich bei weitgehend unverändertem Produktpreis zwangsläufig durch die verringerte Energiesteuer, da dadurch der auf Steuern und Abgaben zurückzuführende Preisanteil sinkt. Die folgende Grafik verdeutlicht den Effekt beispielhaft für Superbenzin E5.

Allerdings lässt sich der beobachtete Anstieg auf über 62 Prozent bei Super E5 und sogar mehr als 63 Prozent bei Diesel allein mit der Steuererleichterung nicht erklären. Ein zusätzlicher, wenn auch deutlich geringerer Anstieg ergibt sich dadurch, dass der von den Konzernen bestimmte Produktpreis seit dem 1. Juni 2022 auch absolut anzieht: bei Superbenzin E5 von zuvor rund 1,13 Euro auf zeitweise mehr als 1,24 Euro (+10 Prozent), bei Super E10 von 1,08 Euro auf 1,19 Euro (+11 Prozent) und bei Diesel von 1,16 Euro auf 1,24 Euro (+7 Prozent). Neben den Kosten für Erzeugung, Transport, Vertrieb oder auch Produktbeschaffung (etwa den Rohölpreis) umfasst der Produktpreis auch den Gewinn je verkauftem Liter Kraftstoff.

Auch wenn in die komplexe Preisgestaltung diverse Angebots- und Nachfrageeffekte hineinspielen und sich die Marge für Konzerne und Raffinerien nicht einfach als Differenz zwischen Produktpreis und Rohölpreis bestimmen lässt: Bislang scheint - wie vielfach befürchtet - ein erheblicher Teil des staatlichen Tankrabattes tatsächlich bei den Mineralölkonzernen zu versickern.

Die folgende Grafik zeigt je Kraftstoff den jeweiligen täglichen Rückgang des Durchschnittspreises seit dem 1. Juni - jeweils gemessen am letzten Durchschnittspreis vor Inkrafttreten der Spritpreisbremse und im Verhältnis zum theoretisch erwartbaren Rückgang von 35,2 Cent für Benzin bzw. 16,7 Cent bei Diesel.

Der Vergleich der drei Kraftstoffe zeigt: Vor allem bei Diesel bremst die Spritpreisbremse kaum noch. Dort wurden am 1. Juni 2022 durchschnittlich mehr als 70 Prozent des theoretisch möglichen Tankrabatts realisiert. Binnen einer Woche sank dieser Wert bis zum 8. Juni aber wieder rapide - zuletzt sogar auf unter 25 Prozent.

Saskia Esken, Co-Vorsitzende der SPD, forderte im "ntv Frühstart" ein schnelles Eingreifen der Politik bei der Preisgestaltung: "Am Ende landet die Steuersenkung jetzt in den Taschen der Mineralölwirtschaft, das ist nicht in Ordnung. Wir wollten keine Subventionen für Mineralölkonzerne einführen." Für Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin, ist der Tankrabatt bereits gescheitert. Er fordert die Notbremse bei der Spritpreisbremse - zugunsten anderer, effektiverer Maßnahmen.

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